(Kein) Mann sein – trans- & queere Männlichkeiten in Zeiten der Faschisierung
(Not) To be a man – trans & queer masculinities in times of fascization
„Wir sollten uns jetzt nicht skandalisieren und in einen Abwehrkampf hinein manövrieren lassen. Wer skandalisiert ist, bleibt reaktiv. Wir müssen dringend neue Visionen queeren Lebens für die Zukunft anbieten, die gesamtgesellschaftlich ankommen. Die Zeit des Protektionismus ist vorbei. Queere und trans Rechte werden nur nach vorne verteidigt.“
(buendnis.selbstbestimmung auf Instagram, 26.2.25)
Dass wir uns als gender- und queertheoretisch arbeitende Medienwissenschaftler_innen mit Fragen von Männlichkeit beschäftigen müssen, um unsere politische Gegenwart zu verstehen, ist keine Überraschung. Offenkundigstes Beispiel sind autoritäre Ausformungen von Männlichkeit, die aktuell geradezu virulent sind. Im Aufstieg (proto-)faschistischer Akteure spielt Männlichkeit, ihre Mediatisierung und Performance eine entscheidende Rolle. Unter diesen Vorzeichen sind (mediatisierten) Auftritts- und Erscheinungsformen von Männlichkeit untrennbar verschränkt mit antifeministischen, queer-, inter- und transfeindlichen sowie rassistischen Ressentiments. Von Donald Trump über Javier Millei bis zu Maximilian Krah sind radikal maskulinistische Talking Points aus den digitalfaschistischen Blasen der Manosphere in den politischen Mainstream übergegangen – (transfeindliche) Geschlechterpolitiken, insbesondere die Frage, wer ein ‚echter‘ Mann und eine ‚richtige‘ Frau sei, sind ein entscheidender Schauplatz gegenwärtiger Kulturkämpfe. Der Ruf nach ‚starken Männern‘ hat erneut Konjunktur.
So relevant die Analyse reaktionärer und autoritärer Männlichkeit sind, sollen sie in diesem AG-Workshop jedoch gerade nicht das Zentrum der Aufmerksamkeit bilden – auch weil deren Performance gerade darauf abzielt. Unser AG-Workshop fokussiert stattdessen trans und queere Männlichkeiten, insofern sie andere, alternative Zugänge zu und Entwürfe von Männlichkeiten in die Welt bringen. Dabei geht es nicht nur um Gegenentwürfe und -strategien zu autoritärer oder hegemonialer (Cis-)Männlichkeit, sondern um das Potenzial von queer– und transness, die Kategorie Männlichkeit und ihre Verstrickung in Machtstrukturen zu verändern. Gerade in den aktuellen politischen Lagen erscheint uns eine Arbeit gegen die autoritären Ausformungen dieser Geschlechtlichkeit aus einer queer- und transfeministischen Perspektive wichtiger denn je. Wir wollen diskutieren, ob und auf welche Weise Männlichkeit in unserer politischen Gegenwart angeeignet werden kann, wann und inwiefern sie emanzipatives Potenzial entfaltet. Was bedeutet es Männlichkeit zu verraten? Wie wäre – in Verschränkung von abolitionistischer und trans Theorie – eine Abschaffung von (Cis-)Männlichkeit denkbar? Was bedeutet eine ‚alternative Männlichkeit‘ oder Alternativen zur Männlichkeit für wen? Was ermöglicht oder verschleiert die Rede von plurarisierter Männlichkeit, von Männlichkeiten? Jede dieser Fragen stellt sich mit Blick auf Situierung und Intersektionalität unterschiedlich – Männlichkeit in Frage zu stellen, kann je nach Positionierung sehr unterschiedliche (gewaltvolle) Folgen haben. Die Assoziation von Männlichkeit und (struktureller) Gewalt, um die dieser Workshop kreist, ist nicht losgelöst von z. B. Rassifizierung, Ableismus oder Klassismus zu denken – Gefährdung und die Zuschreibung von Gefährlichkeit sind ungleich verteilt.
Mit dem Workshop möchten wir nach Theoriebildungen für die Lebbarkeit, nach Theoriebildungen des Widerstands in Zeiten der Faschisierung suchen sowie nach den intersektionalen Verstrickungen verschiedener Männlichkeiten und ihren möglichen Allianzen. Inhaltliche Themenschwerpunkte sind dabei unter anderem Potenziale von historischen Figurationen alternativer Männlichkeiten, insbesondere weiblicher Männlichkeit, butch Männlichkeiten, (nicht-binärer) Transmännlichkeit, das Verhältnis von Intergeschlechtlichkeit und Männlichkeit, zwischen Männlichkeit und Mann-Sein sowie feministisch-abolitionistische Ansätze, welche eine Abschaffung von (hegemonialer) Männlichkeit theoretisieren. Darüber hinaus sind diese Fragestellungen innerhalb eines möglichst produktiven Spannungsverhältnisses zwischen Queer, Trans und Inter* sowie Gender Studies situiert. Wir erhoffen uns aus diesen Fragestellungen eine Form des Handelns zu erarbeiten, die mehr als nur eine bloße Gegenreaktion auf faschistische Kräfte ist.
Am Donnerstag und Freitag, den 09. & 10. Oktober 2025 laden wir dafür alle Interessierten an das Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien ein. In einem zweitägigen Workshop mit mehreren Themenblöcken werden wir die oben aufgeworfenen sowie weitere Fragen diskutieren. Der Workshop besteht aus einer Reihe kurzer Inputs (5-10 Minuten) in denen Beitragende eigene Thesen, Analysen oder Material vorstellen. Im Anschluss folgen ca. 30 Minuten gemeinsame Diskussion. Es besteht außerdem die Möglichkeit zuvor Texte zu zirkulieren, die zur (weiteren) Grundlage der Diskussion werden. Die Inputs können frei gestaltet werden – beispielsweise text- oder praxisorientiert sein. Einreichungen und Inputs auf englischer Sprache sind willkommen und möglich.
An beiden Tagen gibt es zudem ein Abendprogramm, in dem wir uns mit künstlerischen und aktivistischen Zugängen zum Thema befassen. Am Donnerstag, den 09. Oktober ist eine Lesung und ein Gespräch mit Evan Hugo Tepest geplant – Ort wird noch bekanntgegeben. Am Freitag, den 10. Oktober besuchen wir die Ausstellung von Ashley Hans Scheirl im Belvedere 21, wo wir im Anschluss auch den Film Female to What the Fuck (Katharina Lampert, Corduly Thym, A 2015) sichten und mit an der Produktion beteiligten Personen ins Gespräch kommen. Das Screening ist öffentlich, genauere Angaben folgen.
Alle, die sich für die Gestaltung eines Inputs interessieren (insbesondere Mitglieder der AG Gender/Queer Studies und Medienwissenschaft), bitten wir bis zum 13.07.2025 eine E-Mail mit einer groben inhaltlichen Skizze (max. 1200 Zeichen) einzureichen (sprecher_innen@genderqueermedien.org). Alle, die sich für eine Teilnahme interessieren, bitten wir sich mit einer kurzen formlosen E-Mail anzumelden.
Insbesondere für AG-Mitglieder ohne institutionelle Anbindung oder die Möglichkeit der Reisekostenerstattung, bieten wir nach Möglichkeit finanzielle Unterstützung für die Teilnahme. Bitte nehmt zeitnah Kontakt mit uns auf, solltet ihr dieses Angebot nutzen wollen.
Der Workshop wird unterstützt von Institut für Theater-, Film und Medienwissenschaft der Universität Wien sowie durch das International Research Center Gender and Performativity (ICGP) der mdw – Universität für Musik und Darstellende Künste Wien.
Unten übersenden wir eine Reihe von Literaturvorschlägen, die für uns in der Vorbereitung von Relevanz waren, wir freuen uns auf eure Ideen und die gemeinsame Diskussion!
Das Organisations-Team
Andrea Braidt, Maja Figge, Sarah Horn, Philipp Hohmann, Laura Katharina Mücke, Yvonne Sandell, Stefan Schweigler, Jul Tirler, Francis Wagner
Texte:
• Kadji Amin, „We Are All Nonbinary: A Brief History of Accidents“, Representations (2022) 158 (1): 106–119. https://doi.org/10.1525/rep.2022.158.11.106
• Marquis Bey, Cistem Failure, Duke University Press, 2022
• „All My Friends Are Trans (or Will Be Soon)“, TSQ (2023) 10 (3-4): 208–211. https://doi.org/10.1215/23289252-10900732
• Jack Halberstam, Female Masculinity, Duke University Press, 1998,
• Emma Heany (Hg.), Feminism Against Cisness, Duke University Press 2024
• Justus Heitzelmann, Xenia Müller, Klaus Theweleit, „Autoritäre Männlichkeiten“, 19 Feb 2025, ICI Berlin, https://www.ici-berlin.org/events/autoritaere-maennlichkeit-en/
• Selma Kay Matter, Muskeln aus Plastik, Hanser, 2024
• Kim Posster, Männlichkeit verraten! Über das Elend der ‚Kritischen Männlichkeit‘ und eine Alternative zum heutigen Profeminismus, Neofelis 2023
• Evan Tepest, „Boys, die mehr sind als Männer“, Missy Magazine, https://missy-magazine.de/blog/2024/11/11/boys-die-mehr-sind-als-maenner/
• -, „Von Fahrradlesbe zu Typ am Steuer, Missy Magazine, https://missy-magazine.de/blog/2024/09/09/von-fahrradlesbe-zu-typ-am-steuer/
• McKenzie Wark, Reverse Cowgirl, Semiotexte, 2020
Filme/Künstlerische Arbeiten:
• C-TV (Wenn ich Dir sage, ich habe Dich gern…), Eva Egermann/Cordula Thym, AT 2020, 30 min.
• Desire Lines, Jules Rosskam, US 2024, 81 Min.
• Female to what the fuck, Cordula Thym, Katharina Lampert, AT 2015, 92 min, https://www.sixpackfilm.com/de/catalogue/2281/
Passing (a beginning), Nick Prokesch, AT 2016, 19 min.
• MYKE. Hacking the Manosphere, onlinetheater.live, 2024, https://www.onlinetheater.live/project/myke
• The Growing Edge, Ian Kaler, AT/D 2024, 17min, https://sixpackfilm.com/de/catalogue/2989/